Dreierlei von Klarinetten im Harmonikamantel

Dass die Premiere des neuen Programms „Respekt“ der Formation Faltenradio im Emailwerk Seekirchen stattfand, war schon eine kleine Sensation für sich. Vier der besten Musiker Österreichs wählen Seekirchen als „Austragungsort“ für ein neues Programm der Superlative. Seekirchens Antwort: Zwei ausverkaufte Abende in einem berstend vollen Emailwerk. Respekt! Eröffnet wird der Abend mit der Ouvertüre von Leonard Bernsteins „Candide“. Alexander Neubauer, Stefan Prommegger und Matthias Schorn stehen mit Ihren Klarinetten im lyrischen Dialog, erfassen hörbar die subtilsten Details dieses unerhört diffizilen Stückes und über allem schwebt der feinstoffliche Klang von Alexander Maurers Harmonika, die in seinen Händen zu einem Instrument von nahezu grenzenloser Komplexität heranwächst. Damit ist das Wesen dieses Abends bereits skizziert. Egal ob ein „boarischer“ wie „An Schiasl zum 30er“, Konstantin Weckers „D’Zigeina san kumma“ oder Astor Piazzollas „Fuga y misterio“, die Interpretationen von Faltenradio erheben einen Landler gleich wie klassische Stücke in die Sphären des Vollkommenen, man möchte sagen, musikalisch beinahe unerreichbaren, hätte man es nicht gerade tatsächlich gehört. Wenn Faltenradio Viola Falbs „Floating Thoughts“ wiedergibt, wird die Leichtigkeit als Kernbotschaft dieses Stückes für das Publikum ein körperlich spürbarer Zustand. Wenn Qualtingers nachfolgender „Krüppelschläger“ die Bühne in Richtung Zuhörer verlässt, krampft sich einem ob der bösartigen Schwärze von Text und Musik der Magen zusammen. Maurer, Neubauer, Prommegger und Schorn drücken die Essenzen Ihrer Stücke dermaßen präzise und gleichzeitig mit so virtuosen Verzierungen aus, dass man als Zuhörer gar nicht anders kann, als in den Geschichten zu versinken und sich vom instrumentalen und vokalen Geschehen gänzlich vereinnahmen zu lassen. Die heiteren bis kritischen Beipacktexte, mit der die vier herausragenden Musiker ihre Stücke abwechselnd versehen, inspirieren das Publikum zur Nachdenklichkeit. Der Bedeutungsschwangerste davon von Meister Bernstein: „Die Zukunft wird allen Völkern gemeinsam sein – oder sie wird sich als sehr unwirtliche Zukunft erweisen“, ein Szenario, das tagtäglich an Realität gewinnt. Faltenradio spielt mit seinem Programm „Respekt“ in der Weite zwischen gemeinsam und einsam und tritt gleichzeitig selbst den Beweis an, dass gemeinsam sich besser anfühlt und vor allem besser klingt. Das Quartett bewies an diesem Abend einmal mehr, das Musik tatsächlich grenzenlos sein kann. In der Botschaft, vor allem jedoch in der Perfektion der Ausführung. Faltenradio ist sowohl in der Lyrik als auch in der Meisterschaft an den Instrumenten ein Qualitätsstatement wie es in Österreich vermutlich kein zweites gibt. Mann kann nicht anders als den vier Herren tiefsten Respekt zu zollen.